Melanotan2 ist ein synthetischer, nicht-selektiver Agonist des Melanozyten-stimulierenden Hormonrezeptors. Es imitiert teilweise die Struktur und Funktion des körpereigenen Melanozyten-stimulierenden Hormons (α-MSH), eines Peptidhormons, das von der Vorderlappen-Hypophyse ausgeschüttet wird. Dieses Hormon spielt eine wichtige Rolle bei physiologischen Prozessen wie der Melanogenese, Hautpigmentierung, dem Energiestoffwechsel, der Appetitkontrolle und dem Sexualverhalten. Durch die Bindung an Melanozyten-stimulierende Rezeptoren (MC1R–MC5R) aktiviert MT-2 nachgeschaltete Signalwege und bewirkt physiologische Effekte ähnlich dem natürlichen α-MSH.
Was ist Melanotan2?
Melanotan2 (nachfolgend MT-2 genannt) ist ein synthetisches Peptid, das in der Medizin und Kosmetik großes Interesse geweckt hat. Seit seiner Entwicklung wurde MT-2 sowohl in der Wissenschaft als auch in der Öffentlichkeit viel diskutiert, da es einzigartige physiologische Wirkungen zeigt. Die Forschung zu MT-2 befasst sich nicht nur mit der Grundlagenmedizin, etwa dem Verständnis von Regulationsmechanismen des Körpers, sondern zeigt auch potenzielle Anwendungen in Bereichen wie Hautästhetik und der Behandlung sexueller Funktionsstörungen.
Die Struktur von Melanotan2
Forschung zu Melanotan2
Melanotan2 und Hautpigmentierung
Die normale Hautfarbe des Menschen wird hauptsächlich durch die Menge und Verteilung von Pigment, den Hämoglobinspiegel in den Blutgefäßen der Haut sowie verschiedene optische Faktoren bestimmt. Das Hauptpigment ist Eumelanin, ein schwarzes oder braunes Pigment in den Melanosomen der Epidermis. Diese enthalten das Enzym Tyrosinase, welches entscheidend für die Melaninsynthese ist.
MTII wirkt auf die Hautpigmentierung, indem es an den weit verbreiteten MC1R-Rezeptor auf Melanozyten bindet. Dies aktiviert Adenylatzyklase, erhöht die cAMP-Spiegel, die wiederum Proteinkinase A (PKA) aktivieren. PKA phosphoryliert Transkriptionsfaktoren wie MITF, das wiederum die Transkription von Melanin-Schlüsselenzymgenen wie Tyrosinase, TRP-1 und TRP-2 stimuliert.
Gleichzeitig kann MTII die Reifung und den Transport von Melanosomen beeinflussen, was zu einer intensiveren Pigmentierung führt.
Melanotan2 und Anti-Tumor-Wirkung
Studien mit dem B16-F10-Melanom-Modell zeigten, dass MTII zwar das Zellwachstum nicht hemmt, aber Migration, Invasion und Koloniebildung von Melanomzellen reduziert. Zudem verlangsamte eine lokale Anwendung bei Mäusen mit Melanomen das Tumorwachstum, erhöhte den Zelltod (Apoptose) und reduzierte die Zellproliferation.
Mechanistisch erhöht MTII die PTEN-Proteinspiegel und hemmt gleichzeitig dessen Phosphorylierung, was zu einer Hemmung des AKT/NFκB-Signalwegs führt und die Produktion von PGE2 reduziert.
Melanotan2 und sexuelle Funktion
Untersuchungen an Nagetieren zeigten, dass MT-2 das sexuelle Verhalten verstärken kann. Auch erste kleine klinische Studien bei Männern mit erektiler Dysfunktion deuten auf eine Verbesserung der Erektionsfähigkeit hin.
MT-2 bindet im zentralen Nervensystem an MC4R-Rezeptoren, insbesondere im präoptischen Hypothalamus (MPOA), einem zentralen Bereich zur Steuerung des Sexualverhaltens. Dort fördert es die Freisetzung von Dopamin, einem wichtigen Neurotransmitter bei sexueller Erregung.
Zudem beeinflusst MT-2 die Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse (HPG-Achse), wodurch es die Ausschüttung von Gonadotropinen und somit von Sexualhormonen wie Testosteron anregen kann.
MTII und Energiestoffwechsel
MTII beeinflusst den Energiestoffwechsel über das braune Fettgewebe. Es erhöht die Temperatur und die Substrataufnahme dieses Gewebes, was auf eine gesteigerte Energieverbrennung hindeutet.
Dies geschieht über eine gesteigerte Genexpression thermogener Proteine wie DIO2 und PGC1α, die wiederum den mitochondrialen Stoffwechsel fördern.
Zusätzlich beeinflusst MTII die Genexpression zur Fettverbrennung (z. B. HSL) und hemmt Gene der Fettsynthese (z. B. DGAT2 und FAS), wodurch es zur Aufrechterhaltung der Energiebalance beiträgt.
Der dorsomediale Hypothalamus (DMH) spielt hierbei eine Schlüsselrolle: Bei Läsionen dieses Bereichs werden die thermogenen Effekte von MTII aufgehoben.
MTII und Appetitkontrolle
Der Hypothalamus ist das Zentrum der Appetitregulation. MTII beeinflusst zwei wichtige Neuronengruppen: die appetithemmenden POMC-Neuronen und die appetitanregenden NPY/AGRP-Neuronen.
MTII wirkt als MSH-Analogon auf den MC4R-Rezeptor und hemmt so die Nahrungsaufnahme über dieselben Signalwege, die auch durch das körpereigene MSH aktiviert werden.
Fazit
Als synthetisches Peptid mit einzigartigen physiologischen Effekten zeigt Melanotan2 Potenzial in der Dermatologie, medizinischen Therapie und Grundlagenforschung. Mit weiterer Forschung und klinischer Erprobung könnte MT-2 zukünftig gezielter und wirksamer eingesetzt werden.
Artikelautor
Dr. Velira Nyssén
Wissenschaftlicher Fachautor
Dr. Wu, Jian-Ching – Forscher an der National Sun Yat Sen University, Taiwan, mit vielfältigen Fachgebieten in Biochemie, Onkologie, Zellbiologie, Chemie und Endokrinologie.
Zitate Quellenangaben
[1] Wu J. et al. – Wirkung von MTII bei Melanomen, Int J Mol Sci, 2020
[2] Peters B. et al. – MTII als mögliche Ursache für Niereninfarkt, CEN Case Rep, 2020
[3] Monge-Roffarello B. et al. – Thermogene Wirkung in Ratten, Am J Physiol, 2014
[4] Forbes S. et al. – Appetitregulation über Leptin-MSH-Pfad, PNAS, 2001










